Kulturförderung

In Zeiten der quasi zusammengebrochenen Einnahmen aus musikalischen Urheberrechten aufgrund der Geringstellung von Urhebern im Streaming (Faustregel: 300 000 Klicks entsprechen Einnahmen von etwa 1000,- Euro) sind Musiker darauf angewiesen, live zu spielen. Um hier die Kreativität nicht durch ein Diktat der Kommerzialität einzuschränken ist daher für die Weiterentwicklung der Musiklandschaft in Deutschland ein neues System dringend erforderlich.

Die Idee einer neuen Form der Kulturförderung entstammt einer Promotion von Frau Dr. Inna Hofmann Kulturförderung der Musik. Diese international angelegte Vergleichsstudie indirekter Kulturförderung in Deutschland, Frankreich und England der letzten Jahrzehnte findet das französische System der Intermittents du spectacle, der auf die Produktionsdauer Beschäftigten, als über die Jahrzehnte sehr erfolgreich. In den 1920er Jahren für die Filmbranche entwickelt, erlaubt dieses System ausübenden / darstellenden Künstlern oder kaufmännischen / technischen Angestellten mit befristeten Arbeitsverträgen in Phasen der Beschäftigungslosigkeit Überbrückungsgelder aus der Arbeitslosenkasse zu beantragen. Dafür müssen innerhalb eines Zeitraums von 10 Monaten 507 Arbeitsstunden geleistet werden.

So wird es Künstlern, die noch auf ihren Durchbruch warten ermöglicht, in Ruhe zu reifen. Hierzu sind nachweislich viele, kontinuierliche Live-Auftrittsmöglichkeiten nötig. In Deutschland war dies zeitweilig gegeben, etwa durch Clubs Amerikanischer GIs in Süddeutschland, die täglich Live Musik hören wollten, woraus Bands wir Pur oder die Rodgau Monotones entstanden. Auch die sogenannte Hamburger Schule, welche in den 90er Jahren entstand und den Sound heutiger Popmusik maßgeblich gestaltet hat, entsprang einer Sammlung indirekter Förderungen, vieler ungenutzter Clubs in Hamburg, einer Kurmusikszene in Bad-Salzuflen, sowie geringer Restriktionen des damaligen Studentenlebens. Ein drittes Beispiel ist die Situation in Westberlin der 80er Jahre, in der durch viele Sonderzahlungen des Bundes an dortige Arbeitslose eine freie Künstlerszene entstehen konnte, aus der Bands wie die Einstürzenden Neubauten, die Neue Deutsche Welle, Die Ärzte oder Element of Crime hervorgingen.

Solche Bedingungen sind allerdings zufällig, hier wäre es wünschenswert, dauerhaft und flächendeckend indirekt zu fördern.

Die Erfahrungen mit dem französischen Intermittence du spectacle-System sind hierbei sehr positiv. So geschieht es häufig, daß Künstler lokale Clubs eröffnen, zu denen sie andere Künstler einladen und so ebenfalls eingeladen werden. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Live-Performance, ein reifen auf der Bühne, wie sie zur Entwicklung eigenständiger künstlerischer Entwicklung nötig ist.

Gleichzeitig entstanden in Frankreich so dezentral, regional und auf dem Lande viele kleine Musikclubs, was die Kulturlandschaft sehr bereichert hat. Gerade in Zeiten einer größeren Kluft zwischen Stadt und Land ist eine Bereicherung der ländlichen Kulturlandschaft ein Baustein zur Entzerrung der Wohnungsnot, indem das Land attraktiver würde.

Diese Förderungsform ist indirekt, so daß sich die Künstler dadurch nicht ‚gegängelt‘ sehen und die Art ihres künstlerischen Ausdrucks weiterhin frei wählen können.

Auch hat sich gezeigt, daß Künstler, die noch auf dieses System zurückgreifen noch nicht als vollendete Künstler gesehen werden, so daß ein möglicher Mißbrauch hierdurch stark eingeschränkt wird. Ein solcher ist auch dadurch nicht zu erwarten, da im Falle zu geringer Einnahmen aus künstlerischer Tätigkeit im Vorjahr ein Anspruch auf Zwischenzahlungen erlischt.

Eine Einführung dieses Systems könnte auch eine jahrzehntlange Kulturförderungskritik in Deutschland (Stichwort ‚immer mehr, aber immer dasselbe‘) mit einem diversifizierenden und auf Qualität zielenden Ansatz begegnen.

 

Lit.:

Hofmann, I.: Kulturförderung der Musik. Lit-Verlag 2017.